Welche Prozesse werden in unserem Körper in Gang gesetzt, wenn wir Nanopartikel einatmen oder verschlucken? Wie gesundheitsschädlich sind die Kleinstpartikel wirklich für uns? Dieser Frage wurde qualitativ und quantitativ mit Versuchen an Zellkulturen und Tieren nachgegangen und die Ergebnisse waren besorgniserregend.
Akute und chronische Entzündungen
Versuche an Ratten, die über Tage hinweg mit hohen Konzentrationen von Titandioxid-Partikeln angereicherte Luft einatmen mussten, bestätigten, dass sich dadurch akute Entzündungen in den Bronchien und in der tieferen Lunge entwickelten. Je kleiner die Partikel sind, desto heftiger zeigt sich die Reaktion der Immunabwehr, stellten japanische Forscher im Jahre 2009 fest. Bei relativ geringen Dosen um 0,6 Milligramm Nanoteilchen pro Kilogramm Lungengewebe war es dem Organismus noch möglich, die Partikel aus der Lunge heraus zu transportieren, wenngleich der Stoffwechsel der Tiere schon messbare Veränderungen zeigte.
Koreanische Forscher wiesen ebenfalls in 2009 nach, dass auch chronische Entzündungen durch Titandioxid-Teilchen entstehen können. Als Versuchstiere verwendeten sie Mäuse, denen Lösungen mit unterschiedlichen Konzentrationen solcher Nanopartikel direkt in die Lungen gespritzt wurden. Als Reaktion darauf bildete das Lungengewebe der Tiere Entzündungsbotenstoffe wie Zytokine aus, deren körpereigene Produktion sogar noch 14 Tage nach dem qualvollen Experiment anhielt. Diese Botenstoffe aktivierten Antikörper und Abwehrzellen im Blut und in der Milz, wo umfängliche Entzündungen immer mehr Platz griffen.
Weiterführende Analysen zeigten, dass die Belastung mit Nanopartikeln sogar mehrere Genschalter in den Mäusen umlegte. Aktiviert wurden insbesondere Gene des Immunsystems, die für die Erkennung von Eindringlingen zuständig sind und die Aktivität von Abwehrzellen steuern. Alles zusammen war nach Einschätzung des Forscherteams um Eun-Jung Park von der Dongduk Universität ein klarer Hinweis darauf, dass Titandioxid-Nanopartikel chronische Entzündungen hervorrufen.
Die Gewebe-Barriere reicht nicht aus
Gehen wir noch einmal zurück ins Jahr 2009. Da erschien eine Studie von Patrick Case und seinem Wissenschaftlerteam von der University of Bristol in „Nature Nanotechnology“. Für ihre Untersuchungen wurde zunächst mehrschichtiges Gewebe menschlicher Zellen gezüchtet mit dem Ziel, typische körpereigene Barrieren nachzubilden. Auf einer Seite der Barriere wurden dem Medium Kobalt-Chrom-Nanopartikel hinzugefügt. Solche Teilchen entstehen zum Beispiel, wenn sich künstliche Knochenimplantate mit der Zeit abnutzen. Im Fokus des Interesses standen die Veränderungen an den Zellen hinter der Barriere.
Zum Vergleich wurden gleichartige Zellen ohne Barriere-Schutz ebenfalls mit derartigen Nanopartikeln kontaminiert.
Das Ergebnis überraschte sogar die Forscher: Die Zellen hinter der Barriere wurden in ihrem Erbgut in ganz ähnlicher Weise geschädigt wie jene Zellen, die direkt mit den Nanopartikeln in Berührung kamen. Nach einiger Diskussion fanden die Wissenschaftler den Grund dafür heraus: Die Nanopartikel führen dazu, dass in der Zellbarriere bestimmte Signalmoleküle freigesetzt werden, und diese gelangen ungehindert zu den Zellen hinter der Barriere, wo sie zellschädigende Prozesse in Gang setzen.
Die Forscher regen daher an, in der Nanomedizin mehr Energie auf die Erforschung der diversen gesundheitlichen Folgen durch Nanopartikel zu legen, bevor solche Teilchen zu medizinischen Zwecken gezielt eingesetzt werden.